ΙΗΣΟΥΣ ΚΥΡΙΟΣ ΕΛΕΥΘΕΡΙΟΣ AΓΙΟΣ

Iesous Kyrios Eleutherios hAgios

 

jesus  herr  befreier  heiliger

 

kreuzweg

hut- und IKEA-einwickelpapier, wasserglas, holz, hartfaserplatte, eisennägel, nylon, sand, fotos, (IKEA-)bleistifte, spiegel, acrylfarbe

30 mal 30 cm

sommer 2010

franz mitterdorfer

 

 

 

 

 

Erläuterungen zum Kreuzweg

ΙΗΣΟΥΣ ΚΥΡΙΟΣ ΕΛΕΥΘΕΡΙΟΣ AΓΙΟΣ

Iesous Kyrios Eleutherios hAgios

Die Abkürzung  I. K. E. A. ergibt sich aus der altgriechischen Schreibweise; übersetzt: Jesus, Herr, Befreier, Heiliger. Das sind theologisch gebräuchliche Titel des Gottessohnes.

 

Am Anfang stand die Überlegung, einen Kreuzweg zu gestalten, der eng an den Alltag gebunden bleibt – im dem Sinn, dass man Elementen des Kreuzweges auf dem eigenen Weg immer wieder begegnet. Damit verbunden ist die Anwesenheit Gottes in meinem Leben, die Darstellung dessen, was Gott damit gemeint hat, als er Moses sagte, wer er sei: Ich bin der „ICH BIN“. Er ist der, der immer da ist, neben mir, um mich herum, in mir, in den Menschen um mich, in der Schöpfung.

 

Mein Schwiegervater hat mich einmal gefragt, was in unserem Haus nicht von Ikea sei. Ich darauf: Unsere Kinder.

Ikea ist für mich zum zeitgemäßen Sinnbild für Allgegenwart, für das Immer-Da-Sein geworden.

Ikea ist nicht nur bei mir daheim allgegenwärtig, es ist in ähnlicher und erweiterter Form in vielfacher Ausprägung in anderen privaten und öffentlichen Räumen präsent.

Fast so, wie man früher (stärker als heute) der Kreuzform begegnet ist.

 

Der Kreuzweg sollte aus preisgünstigem, alltäglich verwendetem Material hergestellt sein: Einwickelpapier (durch Wasserglas verfestigt und brandhemmend gemacht), Eisennägel, Holz, Faserplatten, Nylonschnur, Fotokopien, Digitalfotos.

 

Die vier Kreuzigungs-Nägel sind (binnenrahmende) Elemente bis zum Tod am Kreuz (12. Station), die Binnenrahmung wird unscheinbar unterstrichen durch den Nylonfaden. Das Leid bleibt gefasst, gebunden – bis zur Erlösung durch das Sterben, es wird befreit, ist nicht mehr begrenzt und wartet auf die Vollendung in der Auferstehung; Vollendung in dem Sinn, dass Leiden nach der Auferstehung auch verstanden werden kann, in einen Gesamtzusammenhang eingeordnet wird.

 

1. Station: die Bleistifte stehen für die Vergeschichtlichung des Lebens und Wirkens Jesu, für die notarielle, juridische Untermauerung der politischen und öffentlich-Volkswille-bestimmten Vollzüge. Der große Stift steht für die Amtshandlung des Pilatus, die kleinen (Ikea-) Stifte stehen für das Volk, das dem Pilatus verdeutlicht, in welche Richtung es zu gehen hat (Steinchen als Wegsymbol). Das Volksempfinden ist „schärfer“ als das amtliche; die kleinen Stifte sind stärker zugespitzt.

 

2. Station: die 12 Stämme Israels, die 12 Apostel, stellvertretend für die Menschheit, lasten auf Jesu Schultern, jeder einzelne hat sein eigenes Leiden auf dem Rücken (je vier Nägel mal 12). Der überlastete Jesus (dargestellt in den brüchigen senkrechten Papierschichtlinien) trägt unsere Last auf seinem Weg „hinauf“.

 

3., 7., 9. Station: die „Fälle“ Jesu. Jesus wird zu Fall gebracht. Immer eine gestalterische Herausforderung, weil die Vervielfachung dazu drängt, eine Steigerung des Leidens darzustellen, also Redundanz gestalterisch zu bewältigen.

Mir fiel ein sprachlicher Trick ein: das dreifache Fallen Jesu (die positiv-Denkenden beziehen immer mit ein, dass Jesus dreimal wieder auf die Beine gekommen ist!) wird zum „Fällen“ Jesu: wo hat seine Nachfolgerschaft (die Kirche; wir) seine Lehren, seine Absichten verraten: in der Unterdrückung der Frau (3. Station: die Macht der Männer zerbröselt aber zusehends), in der Auseinandersetzung mit notwendigen reformatorischen Schritten, der Rückbesinnung auf zentrale Anliegen von Jesu Wirken (Luther; 7. Station mit der Aufforderung an Luther, seine Thesen zu widerrufen und letztlich die Bannbulle mit dem entsprechenden Datum), und schließlich die zeitnahe Unterdrückung der Option Jesu für die „Armen“ (9. Station: Zurechtweisung Ernesto Cardenals durch Johannes Paul II., ein schmerzliches Zeichen kirchlichen Amtsverständnisses)

 

4. Station: die Mutter-Sohn-Beziehung mit solcher Intensität; die Umarmung, die nur berührt, die nicht kommentiert zu werden braucht, besonders unter Berücksichtung Jesu Bemerkung in Richtung Mutter auf der Hochzeit zu Kana.

 

5. Station: die einfachste Analogie zur Simon von Cyrene-Rolle für uns: Spendenkonten. Und der Holzbalken im Bild (von der Rückseite sozusagen nach vorne gezogen): ein Schranken, der aufhält, zum Stolpern bringen kann, oder der aufgenommen werden kann, also die Möglichkeit bietet, Last abzunehmen, mitzutragen.

 

6. Station: das mit Spiegeln skizzierte Gesicht des Leidenden, angedeutet auch die T-Form des Kreuzes. Und in den Spiegeln das Ebenbild Gottes sichtbar (ich, der Betrachter). Wir brauchen eigentlich kein Abbild Gottes, wir sind es selbst, von Anbeginn der Schöpfung.

 

8. Station: die weinenden Frauen – als Variation der 1. Station. Die Frauen möchten das Urteil rückgängig machen, „drehen“, Jesus zeigt aber, wohin es/er gehen muss. Oder: die Frauen weinen, schreien, schreiben ihr Leiden an Christus bzw. an sich und ihren Lebensumständen individuell hin, hinaus - Jesus radiert es aus, wandelt es um, nimmt es auf und schreibt ihre Leidensgeschichte um, schreibt sie neu, gibt ihr eine neue Deutung, eine andere Richtung.

 

10. Station: der nackte Jesus, zur Schau gestellt - oder doch vor Voyeuren geschützt durch den Vorhang. Die Sensationsgeilheit der Zuschauer, der Adabei-Gesellschaft.

 

11. Station: durch die Beleuchtung von links unten entsteht durch den Schattenwurf der vier Nägel mit den Wunden das Hakenkreuz. Erschreckend, befremdend, wie kann man nur ... aber Realität. Es kommt auf die Sichtweise, auf den Blickwinkel, auf die Ausleuchtung an.

 

12. Station: Es sind Finsternisse geworden ... der Tempelvorhang zerreißt, Risse in der Dunkelheit deuten auf den Durchbruch der Auferstehung hin. Und die Risse können auch Blutströme aus den Wunden sein ...  Die Positionierung der Kreuzesnägel ist vom Kreuzigungsmotiv des Isenheimer Altars übernommen.

 

13. Station: die Pieta, „privat“ gestaltet, in einen geschützten Rahmen gestellt, Maria darf mit ihrem Sohn allein sein; das schützende Haus auch als Vorankündigung für das Grab

 

14. Station: verlangt nach Weitergehen von links nach rechts, um ganz Einblick zu bekommen und letztlich auch zur (nicht gestalteten) Auferstehung zu gelangen. Einblick nehmen in das Grab. Der Teller und die Gabel sind wieder von Ikea, die vier Nägel sind zu den vier Zinken der Gabel geworden. Der Teller deutet auf Emmaus hin, er wirkt wie eine große Hostie, das Bild verweist auf die Tischgemeinschaft. Etwas blasphemisch könnte man auch auf die Idee kommen: die Sache ist gegessen. 

Durch die doppelte Kopie des Fotomotivs bzw. durch das Übereinanderlegen in unterschiedlicher Größe entsteht ein T-Schatten, als Verweis auf das Kreuz.

Als Tischauflage ein Läufer mit Oliven-Motiv, eine Erinnerung an den Einzug in Jerusalem, auf das Wiederaufnehmen des Hosianna in der Auferstehung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

erste station: jesus wird zum tod verurteilt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zweite staton: jesus nimmt das schwere kreuz auf seine schultern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

dritte station: jesus wird zu fall gebracht - zum ersten mal

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

vierte station: jesus begegnet seiner betrübten mutter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

fünfte station: simon hilft jesus das kreuz tragen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

sechste station: veronika reicht jesus das schweißtuch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

siebente station: jesus wird zu fall gebracht - schon wieder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

achte station: jesus begegnet den weinenden frauen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

neunte station: jesus wird zu fall gebracht - wieder und wieder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zehnte station: jesus wird seiner kleider beraubt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

elfte station: jesus wird ans kreuz geschlagen

(mit lichtquelle links unten für den schattenwurf der nägel)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zwölfte station: jesus stirbt am kreuz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

dreizehnte station: jesus wird vom kreuz abgenommen und in den schoß mariens gelegt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

vierzehnte station: jesus wird ins grab gelegt (ansicht von links kommend)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

vierzehnte station     ansicht von vorne

 

 

 

 

 

 

 

vierzehnte station      ansicht nach rechts weiter gehend