gefurchter tisch

 

 

brot brockt
er in die supe
die linke hängt
unterm tisch
kopf und brust
tief vorgebeugt
starre augen
suchen gedanken
ein erster
löffel auf der zunge
zwischenbemerkung:
kein salz
und fängt den tropfen von der lippe
er isst
er zürnt
hats
schon geläutet
antwort der mutter:
in fünf minuten

 

 

 

 

 

 

 

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(meine mutter und ich)

 

vor dreiundzwanzig jahren
als ich fünf
sie sechsundvierzig war
ich
auf ihrem schoß saß
sie
mit ihren lippen
an meinem schopfhaar zupfte
lächelte ich zurück
heute
wo ich erschrecke
wenn sie
scheinbar staub von meiner schulter wischt
weiß ich
dass
sie mich damals
liebte

 

 

 

 

 

 

 

 

(mein vater und ich)

 

 

heute
wenn ich
wortlos
neben ihm
auf der bank
vor dem haus
sitze
vor der abendsuppe
wortlos
weiß ich
dass wir uns nie etwas zu sagen hatten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                     

                            

 





(zum tod des vaters 1985)

in deinem offnen mund
ruht ein halber gruß,
ein halbes wort,
ein halber wunsch.
mein gruß
ist stilles schaun.
still bleibt das nie gesagte wort,

ich legs dir, vater, in den sarg.
an stirn und wangen
und in den augenwinkel.
soll dein wunsch zum ganzen werden,
soll ich jetzt gehn und tun

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

heut
denke ich
treffen einander vater und mutter im himmel
sie haben sich lange nicht gesehen
wie frisch du bist
fast hätten sie die hand ergriffen
statt dessen fühlen sie
durch kurze nasenluft
kurzer atemstop
neu erinnert ist der blick
und dieses zittern innen
da plötzlich
wie befehl
umarmt
und sich als eins gefühlt

 

   

                

 

 

 

 

 

 

 

                

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

paulinum 1960 - 1968
(in anlehnung an "der zögling tjaz" von florjan lipus)

 

keine spur geblieben
von mir
an diesem haus
gekratzt hab ich
später zu spät

die ordnung verweigernde klinke
hängt eigengewichtig schräg
in der wuchtigen rechtecktür
antippen genügt
verschlungen der eine
der andre geborgen

der könig
in einem fenster gestreckt
vom himmel zur erde
an sechs altären
um die wette gewandelt aus wein und brot
der nachwuchsknechte träume
prall gehalten
oder schrumpfgebetet

schläft der gerechte
lass man ihn ungestört
gott wird ihn schon wecken
wenn er ihn brauchen kann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

leo und arno

 

gekichere vor der tür
überwerfendes lachen
geblödel hauf zuhauf
gekuttere und geschnappe
entlacht und luft geholt
für aktuelleres gegacker
ich alter depp
versuche dieses zu bewörtern
und bleibe hängen am gesicht unsichtbar
noch ehe ich gewörterlt hab
streiten sie schon wieder

 

 

 

 

 

 

 

 

im erdäpfelgulasch
nach landjägern fischen

widerspricht
unsern regeln bei tisch

und ist auch
sprachlich nicht korrekt